Wer haftet in der Lieferkette?
Immer wieder kommt es bei der Lieferung, Weiterverarbeitung oder einem Weiterverkauf von Waren zu Problemen, wenn Mängel auftreten.
Alltäglich im Wirtschaftsleben gibt es die Fälle, dass bei einem Kunden einzubauende Waren von einem Vorlieferanten zugekauft und dann beim Kunden sei es durch Direktlieferung oder Lieferung von dem Vertragspartner eingebaut werden. Solange es nicht zu Schäden kommt, funktioniert die Belieferung „in der Lieferkette“.
Immer wieder kommt es allerdings zu Mängeln mit der Folge, dass dann der Kunde bei seinem Vertragspartner und dieser bei dem Vorlieferanten die entsprechend eingetretenen Schäden geltend machen möchte.
Wenngleich auf den ersten Blick der Eindruck entsteht, dass der Vorlieferant, sollte er für den Mangel verantwortlich sein, sämtliche Schäden zu tragen hat, werden nach der derzeitigen Gesetzeslage und Rechtsprechung eben nicht alle Schäden, die bei dem Kunden eingetreten sind, von dem Vorlieferanten erfolgreich geltend gemacht werden können.
Zwar hat nach den Regelungen des deutschen BGB und insbesondere des deutschen Kaufrechts der Vertragspartner bei einer mangelhaften Lieferung stets das Recht, entweder Nachbesserung oder kostenlose Lieferung einer neuen Sache (Ware) zu verlangen. Mit dieser Regelung sind aber nicht alle durch die Lieferung eines mangelhaften Produktes entstandenen Schäden abgegolten, da im Wirtschaftsleben immer wieder das Thema „entgangener Gewinn“, „Kosten des Ein- und Ausbaus“, „weitere Mängelbeseitigungskosten“ diskutiert werden. Auch fallen hierbei Kosten der Schadens-Findung, insbesondere Begutachtungen, Anwaltskosten etc. mit in den Topf der möglichen Schäden. Zwar stellt grundsätzlich die Lieferung mangelhafter Ware eine schuldhafte Verletzung des abgeschlossenen Vertrages dar mit der Konsequenz, dass sämtliche eingetretenen Schäden, also auch Schäden, die nicht unmittelbar mit dem mangelhaften Produkt selbst (sogenannte Mangelfolgeschäden) im Zusammenhang stehen, ersetzt werden müssen. Bei einem Kauf „in der Lieferkette“ ist es allerdings schwierig, teilweise diese Positionen vollumfänglich durchzusetzen.
Dies hängt damit zusammen, dass sich der Vorlieferant oftmals darauf beruft, dass der Mangel des von ihm gelieferten Teils nicht erkennbar gewesen ist.
Der Bundesgerichtshof hat hierbei in mittlerweile ständiger Rechtsprechung ausgeführt, entschieden und begründet, dass der Vorlieferant in der Lieferkette gerade nicht Erfüllungsgehilfe des eigentlichen Verkäufers dem Kunden gegenüber ist und deshalb das Verschulden des Vorlieferanten dem Verkäufer auch nicht zugerechnet werden kann.
Was bedeutet dies?
Dem Verkäufer kann nicht vorgeworfen werden, dass der Vorlieferant mangelhafte Ware geliefert und gegebenenfalls mangelhaft produziert hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Verkäufer selbst sogar ein sogenannter weiterverarbeitender Hersteller ist.
In einem Urteil mit weiter Tragweite vom Oktober 2017 hat der Bundesgerichtshof genau zu diesem Thema Stellung bezogen und angeführt, dass Mangelfolgeschäden dann nicht in der Lieferkette weitergerechnet werden können.
Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, dass nicht der Vorlieferant sämtliche auch größere Schäden aus einer bis zum Endkunden immer wieder fortgeführten Lieferkette zu tragen hat.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei dem Vorlieferanten allenfalls Schäden am Produkt selbst, nicht aber Mangelfolgeschäden geltend gemacht werden können, sollte nicht auch ein Verschulden beim Vorlieferanten nachgewiesen werden können. Wenn und soweit dargelegt und nachgewiesen werden kann, dass den Vorlieferanten auch ein Verschulden trifft, er also den eingetretenen Schaden bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte vermeiden können, können auch weitere Kosten bei ihm geltend gemacht werden.
In der Regel betrifft dies meist die sogenannten Ein- und Umbaukosten, die nur im Fall des Verschuldens bei dem Vorlieferanten geltend gemacht werden können.
Da dies allerdings meistens den größeren Teil von Schadenspositionen auch über den Wert des eigentlich mangelhaften Teils (Produkt) hinaus betrifft, kommen genau diesen Schadenspositionen ganz erhebliche Bedeutungen im Wirtschaftsleben zu.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mag angreifbar sein, da sie zu ungerechten Ergebnissen der Gestalt führt, dass der Vertragspartner des Kunden auf den Ein- und Umbaukosten wie sonstigen Kosten „sitzenbleibt“, sollte er im Regresswege dem Vorlieferanten gegenüber nicht ein Verschulden nachweisen können. Dennoch ist es mittlerweile klare Diktion und Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Im Ergebnis will der Bundesgerichtshof zum Ausdruck bringen, dass Mangelfolgeschäden nur bei eigenem Verschulden des jeweiligen Vertragspartners geltend gemacht werden können.
Der Bundesgerichtshof hat hierbei Klauseln für unzulässig und mit dem deutschen Recht nicht vereinbar erklärt, die entsprechende Regressansprüche auch ohne Verschulden vorgesehen haben. Die Vereinbarung einer sogenannten verschuldensunabhängigen Haftung des Vorlieferanten hat der Bundesgerichtshof in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Einkaufs- bzw. Verkaufsbedingungen) als unwirksam erachtet. Eine Hintertür ist also geblieben: Der Bundesgerichtshof will jeweils eine sogenannte Einzelfallentscheidung sehen, ohne allgemein klare Grundsätze aufzustellen.
Insoweit ist nicht ausgeschlossen, dass bei gewissen Umständen des Einzelfalls auch eine andere Entscheidung getroffen werden könnte.
Die Haftung „in der Lieferkette“ ist damit schwierig und vom Einzelfall abhängig zu betrachten.
Sollten Sie in einem derartigen Fall – oder generell im Handelsrecht – Beratungsbedarf haben, so steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Dr. Christian Weinelt gerne für ein Beratungsgespräch zur Verfügung.