Arbeitnehmerüberlassung und Scheinwerkverträge
So vermeiden Sie unzulässige Arbeitnehmerüberlassungen
- Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
Viele Unternehmen beauftragen regelmäßig Fachfirmen, damit diese Aufträge für das Unternehmen ausführen. Dies geschieht regelmäßig über den Abschluss von Werkverträgen gemäß §§ 631 ff. BGB.
Bei einem solchen Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Beispiel 1:
Unternehmen A erteilt dem Unternehmen B den Auftrag zur Errichtung einer Lagerhalle auf Basis der von einem Architekten entworfenen Pläne zu erstellen. Die Parteien einigen sich auf einen Werklohn in Höhe von € 500.000,00. Das Unternehmen B hat die Halle mit eigenen Mitarbeitern, eigenen Baugeräten und eignen Baustoffen herzustellen. Unternehmen A ist mit vertragsgemäßer Erstellung zur Werklohnzahlung verpflichtet.
Diese Konstellation ist rechtlich unbedenklich und wird so oder so ähnlich tausendfach praktiziert.
Problematisch wird es allerdings in der folgenden Konstellation.
Beispiel 2:
Wie Beispiel 1 nur mit dem Unterschied, dass das Unternehmen B die eigenen Mitarbeiter zum Arbeite zu Unternehmen A schickt. Dabei werden die Mitarbeiter durch Führungspersonal des Unternehmens A angewiesen, wie und wann die Lagerhalle errichtet werden soll. All dies geschieht mit Werkzeugen und Baustoffen, die das Unternehmen A zur Verfügung stellt.
Das Beispiel 2 zeigt den klassischen Fall einer Arbeitnehmerüberlassung. In solchen Konstellationen überlässt der Verleiher (im Beispiel 2 ist dies das Unternehmen B) eigene Mitarbeiter an den Entleiher (vorliegend das Unternehmen A). Das Weisungsrecht (also das Recht des Arbeitgebers über den Inhalt, den Ort und die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen) übt in diesem Falle der Entleiher aus.
Solche Arbeitnehmerüberlassungen sind nicht per se unzulässig. Es hat sich aber gezeigt, dass überlassene Mitarbeiter im Vergleich zu fest angestellten Arbeitnehmern aus verschiedenen Gründen wesentlich schutzwürdiger sind. Aus diesem Grunde wurde das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) erlassen. Dieses Gesetz sieht unter anderem vor, dass eine Arbeitnehmerüberlassung nur dann zulässig ist, soweit der Verleiher über eine spezielle Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG). Darüber hinaus enthält das Gesetz viele weitere wichtige Regelungen, um die überlassenen Mitarbeiter zu schützen.
Oftmals bewegen sich die Verträge in einem Graubereich zwischen einem Werkvertrag (Beispiel 1) und einer Arbeitnehmerüberlassung (Beispiel 2). Dies wollen wir anhand eines Beispiels 3 veranschaulichen:
Beispiel 3:
Wie Beispiel 1 mit der Maßgabe, dass das Unternehmen B seine Mitarbeiter zum Unternehmen A zur Erstellung der Lagerhalle schickt. Die Mitarbeiter des Unternehmens B bringen dabei die Werkzeuge und Baumaterialien von ihrem Arbeitgeber mit, erhalten allerdings in Bezug auf die Bauausführung ausschließlich Anweisungen vom Führungspersonal des Unternehmens A.
Im Beispiel 3 werden die Kernaspekte eines Werkvertrages mit denen einer Arbeitnehmerüberlassung vermischt. Die Tatsache, dass die Mitarbeiter des Unternehmens B eigene Werkzeuge und Baumaterialien zur Baustelle mitbringen, deutet zunächst einmal auf einen Werkvertrag hin. Die Tatsache, dass die Mitarbeiter allerdings ausschließlich Arbeitsanweisungen vom Geschäftsführer des Unternehmens A erhalten, spricht wiederum für eine Arbeitnehmerüberlassung.
Ob das Beispiel 3 noch als Werkvertrag oder schon als Arbeitnehmerüberlassung zu werten ist, muss in jedem Einzelfall anhand der spezifischen Umstände entschieden werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass es im Zweifel nicht auf den Vertragsinhalt, sondern auf das sogenannte gelebte Vertragsverhältnis ankommt, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG.
Insoweit bringt es nichts, wenn die Unternehmen A und B einen schriftlichen Werkvertrag auf Basis des Beispiels 1 abschließen, das Vertragsverhältnis aber auf Basis des Beispiels 2 tatsächlich ausgeführt wird.
- So vermeiden Sie eine zulässige Arbeitnehmerüberlassung
Unsere Erfahrung in diesem Bereich zeigt, dass viele Unternehmen gar nicht wissen, dass sie sich im Bereich einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung bewegen. Eine solche Unkenntnis bewahrt Unternehmen aber nicht vor teilweise empfindlichen Strafen. Zudem kann eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung dazu führen, dass der Auftraggeber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den an ihn entliehenen Arbeitnehmern eingeht, ohne dies zu wollen.
Wenn Sie die folgenden Punkte einhalten, können Sie die Gefahr einer versehentlichen unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung stark minimieren.
Tipp 1: Erteilen Sie fremden Arbeitnehmern keinerlei Weisungen. Geben Sie Ihre Wünsche ausschließlich an den Werkunternehmer weiter, damit dieser wiederum seine eigenen Mitarbeiter entsprechend anweist.
Tipp 2: Gliedern Sie keine fremden Mitarbeiter in Ihren Betriebsablauf ein. Dies bedeutet beispielsweise, dass fremde Arbeitnehmer nicht in Ihrer Arbeitskleidung arbeiten dürfen. Darüber hinaus sollten fremde Mitarbeiter keine Büros auf Ihrem Firmengelände zur Verfügung gestellt bekommen. Eine Nutzung Ihrer Betriebsmittel durch fremde Mitarbeiter ist zu vermeiden. Auch die Benutzung firmeneigener Versorgungsstätten (beispielsweise Kantinen) durch Fremdpersonal sollte vermieden werden.
Tipp 3: Sollte im Ausnahmefall eine Arbeitnehmerüberlassung unvermeidbar sein, so müssen Sie im Vorfeld unbedingt prüfen lassen, ob sämtliche hierfür nötigen Voraussetzungen vorliegen.
Bei Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Intern werden die Themenbereich Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitsrecht von Herrn Rechtsanwalt Dr. Christian Weinelt und Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Lars Reimer betreut.