Corona-Krise: Urlaubsansprüche während Kurzarbeit
Arbeitnehmer, die sich entweder in Kurzarbeit „null“ (d.h. vollständig von der Arbeitsverpflichtung freigestellt sind) befinden oder aufgrund der Kurzarbeit an weniger Tagen pro Woche arbeiten als sonst, müssen mit einer Minderung ihres Urlaubsanspruches rechnen.
Eine nationale gesetzliche Regelung, die eine Kürzung des Urlaubsanspruchs infolge einer Kurzarbeitsphase vorsieht, existiert nicht. Der europäische Gerichtshof vertrat allerdings im Rahmen eines Urteiles aus dem Jahre 2012 (Urteil vom 08.11.2012, Az.: C-229/11) die Ansicht, dass eine Kurzarbeitsphase mit einer vorübergehenden Teilzeitbeschäftigung gleichzusetzen ist. Im Falle einer vorübergehenden Teilzeitbeschäftigung ist obergerichtlich bereits anerkannt, dass sich der Erholungsurlaub entsprechend der geringeren Wochenarbeitstage mindert. In eine ähnliche Kerbe hat auch das Bundesarbeitsgericht im Jahre 2019 (Urteil vom 19.03.2019, Az.: 9 AZR 406/17) geschlagen. Das Gericht entschied, dass sich der Urlaubsanspruch bei einer unbezahlten Freistellungsphase ebenfalls entsprechend mindert. Im Falle einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung ist insoweit damit zu rechnen, dass das nationale Arbeitsgericht der Linie des EuGH folgen und entscheiden wird, dass eine Kürzung des Jahresurlaubs aufgrund einer Kurzarbeitsphase zulässig ist.
Sollte ein Arbeitnehmer beispielsweise im Kalenderjahr 2020 für volle sechs Monate auf Kurzarbeit „null“ gesetzt werden, reduziert sich der Jahresurlaubsanspruch um 50 %. Soweit die Kurzarbeit dazu führt, dass für die Dauer von sechs Monaten an drei anstatt fünf Wochentagen gearbeitet wird, erhält der Arbeitnehmer für das halbe Jahr, in dem keine Kurzarbeit angeordnet wurde, 50 % seines Jahresurlaubes und für das andere halbe Jahr mit angeordneter Kurzarbeit drei Fünftel des übrigen Jahresurlaubsanspruches. Insgesamt hätte der Arbeitnehmer im letztgenannten Beispiel einen Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2020 auf Basis von 80 % seines üblichen Jahresurlaubsanspruchs. In diesem Zuge gilt es aber zu beachten, dass es durch etwaige vertragliche Sonderregelungen, insbesondere im Hinblick auf einen übergesetzlichen Mehrurlaub, zu abweichenden Ergebnissen kommen kann.
Sollte keine individualvertragliche Regelung existieren, was in den meisten Fällen der Fall sein dürfte, so mindert sich der Urlaubsanspruch nach wohl herrschender Meinung automatisch.
Wichtig für Arbeitnehmer ist zu wissen, dass für den Fall, dass innerhalb des Urlaubsjahrs zu viele Urlaubtage gewährt wurden, diese nicht mit dem Urlaubsanspruch aus dem Folgejahr verrechnet werden dürfen. Insoweit müssen die Arbeitgeber darauf achten, den Mitarbeitern nur so viel Urlaub zu gewähren, wie tatsächlich auch vorhanden ist.
Ihre Rechtsanwaltskanzlei Dr. Weinelt & Collegen,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Lars Reimer