Arbeitgeber müssen zukünftig vor Urlaubsverfall warnen

Arbeitgeber müssen zukünftig vor Urlaubsverfall warnen

10. Januar 2023|Aktuelles, Arbeitsrecht|

Das Deutsches Arbeitsrecht ist dafür bekannt, dass sich durch eine Änderung der obergerichtlichen Rechtsprechung von heute auf morgen etwas Grundlegendes ändern kann. Dies betrifft aktuell den Teilrechtsbereich des Urlaubsrechts.

 

Aktuelle Rechtslage im Hinblick auf die Übertragbarkeit von gesetzlichem Urlaub

So hat das Bundesarbeitsgericht in den letzten Jahren seine Rechtsansicht hinsichtlich der zeitlichen Durchsetzbarkeit von gesetzlichen Urlaubsansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis immer wieder geändert.

Zuletzt vertrat das BAG die Ansicht, dass Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub mit Ablauf des Urlaubsjahres verfallen, es sei denn, es liegt ein hinreichender personeller oder betrieblicher Grund vor, um das Urlaubsjahr bis zum 31.03. des Folgejahres auszuweiten.

Für Langzeiterkrankte, die ihren Urlaub in Natura nicht nehmen konnten, galt zuletzt der Grundsatz, dass eben dieser Urlaub mit Ablauf von 15 Monaten nach dem betreffenden Urlaubsjahr (beispielsweise mit Ablauf des 31.03.2023 für den Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2021) automatisch verfällt. So sieht es auch die gesetzliche Regelung in § 7 Abs.3 BurlG vor.

Der Europäische Gerichtshof hat im Hinblick auf Urlaubsübertragungszeiträume am 06.11.2018, AZ. C-684/16, entschied, dass ein Urlaubsverfall in einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraumes in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber zuvor konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge getragen hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Insoweit war absehbar, dass auch das BAG seine Rechtsprechung zum Thema Urlaubsverfall zu Gunsten der Arbeitnehmerschaft anpassen würde.

So ist es – für Arbeitsrechtlicher alles andere als überraschend – nunmehr auch geschehen. Das BAG hat mit Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 entschieden, dass hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs die Vorschriften über die Verjährung gem. §§ 214 Abs. 1, 194 Abs. 1 BGB zur Anwendung gelangen. Diese regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne allerdings nach Ansicht des BAG bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

 

Bedeutung für die Praxis

Soweit die Unternehmen unserer bisherigen Beratungspraxis folgen, ist derzeit nichts weiter veranlasst. Aufgrund des vorgenannten Urteils des Europäischen Gerichtshofes raten wir bereits seit mehreren Jahren an, dass sämtliche Mitarbeiter rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres (beispielsweise im Spätsommer oder Frühherbst) nachweisbar auf den drohenden Verfall ihres gesetzlichen Mindesturlaubs (und unter Umständen auch auf den parallel laufenden vertraglichen Mehrurlaub) zum 31. Dezember hingewiesen werden; gleichzeitig werden die Mitarbeiter angehalten, ihren bestehenden Resturlaub zu verplanen und bis Ende des Jahres in Anspruch zu nehmen.

Sollte Ihr Unternehmen einen derartigen Mechanismus noch nicht installiert haben, sollte dies unbedingt zeitnah nachgeholt werden. Diesbezüglich beraten wir Sie gerne hinsichtlich der praktischen Umsetzung.

Aufgrund der Tatsache, dass nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts Urlaubsaltansprüche nicht verjähren konnten, soweit die Mitarbeiter nicht auf den drohenden Verfall bzw. die drohende Verjährung hingewiesen wurden, muss damit gerechnet werden, dass derartige Altansprüche nunmehr von einer Vielzahl von Arbeitnehmern erhoben werden.

Urlaubsansprüche (Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf Freistellung) wandeln sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses automatisch in einen Geldanspruch um, vgl. § 7 Abs.4 BurlG.

Insoweit müssen Unternehmen nunmehr damit rechnen, dass auch Mitarbeiter, die bereits vor mehreren Jahren aus dem Unternehmen ausgeschieden sind, Urlaubsabgeltungsansprüche geltend machen, soweit die Mitarbeiter während ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht den gesamten Urlaub in Anspruch genommen haben sollten.

Es bleibt abzuwarten, ob die Arbeitsgerichte derartige Ansprüche tatsächlich für begründet erachten, die aus Beschäftigungszeiten herrühren, die bereits sehr viele Jahre zurückliegen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Verwaltungsaufwand für Arbeitgeber erneut ansteigt. Die Arbeitnehmer profitieren hingegen von dieser neuen arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung.

 

Ihre Rechtsanwälte Dr. Weinelt & Collegen,

Lars Reimer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Teilen Sie diesen Beitrag